Deutschlandradio Kultur, 4.3.2010
Die Rückkehr des Songs
Uraufführung der „Bordellballade“ beim Kurt-Weill-Fest in Dessau
Bereits über den Untertitel kann man stolpern! Die Bordellballade ist nicht eine Oper für „drei Groschen“, sondern eine mit „drei Goschen“ – auf österreichisch: mit drei losen Mundwerken. Aber dennoch hat man natürlich beim Kurt-Weill-Fest Brechts „Dreigroschenoper“ gedacht. Beziehen sollte man sich allerdings auf Weills „Mahagonny-Songspiel 1927“, eine eigenständige Vorstufe zur Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“: so die Vorgabe für dieses Auftragswerk, die auch für die zur Eröffnung gezeigte Uraufführung von Helmut Oehrings „Offene Wunden“ galt.
Komponist Moritz Eggert hat sich bei dieser Vorgabe vor allem an die etwas vage Bezeichnung „Songspiel“ gehalten und mit seiner Komposition versucht, die Form des populären Weillschen Songs wieder zu beleben. Dabei sind ihm, raffiniert instrumentiert für ein kleines Orchester, sehr eingängige abwechslungsreiche Variationen Weillscher Songs gelungen, in der Regel Zitate aus der „Dreigroschenoper“ und sehr oft richtige Ohrwürmer. Cafehausmusik von höchstem Niveau. Ein theatralischer Liederabend auf den Spuren Weills.
Mit Weills „Mahagonny-Songspiel 1927“ hat die „Bordellballade“ allerdings nur zum Teil zu tun: Zunächst ist die „Bordellballade“ keine Kurzoper, sondern ziemlich lang: Statt sechs Nummern bei Weill sind es 21 Songs, und während es bei Weill – sehr modern – vor allem Ensembles, keine feste Figuren und keine Dialoge zwischen den Musiknummern gibt, sondern nur eine fast postdramatische Beschwörung der schillernden Traumstadt „Mahagonny“, unterhalten sich in der „Bordellballade“ konventionell sechs Personen, denen der österreichische Librettist Franzobel Namen wie „Bussibär“, „Kirschgarten“ und „Ferkelchen“ gegeben hat…
Handlung hat allerdings auch die Bordellballade so gut wie keine. Das Bordell „Menschenhaus“ mit der Puffmutter Rosl steht allgemein als Symbol für die Käuflichkeit menschlicher Gefühle; gefragt wird auf gut Brechtsche Manier „Welchen Wert hat ein Mensch?“. Der Schutzgelderpresser Kirschgarten liquidiert schließlich eine Prostituierte Zuckergoscherl, die allerdings noch als Leiche für einen Song auftaucht.
Die ein wenig selbstverliebten österreichischen Wortspiele von Franzobel mögen, wenn man sie denn ohne deutsch-österreichisches Wörterbuch versteht, hin und wieder schmunzeln lassen, Regisseur Robert Lehmeier stellt das Puff „Menschenhaus“ aber durchaus in eine bedrückende Atmosphäre, die die durchaus melancholischen Songs Eggerts erblühen lässt. Wie bei Weill und Brecht sind die Darsteller gemischt, auch das ein Reiz der Aufführung im Dessauer Bauhaus: Schauspielernde Opernsänger treten gemeinsam mit singenden Schauspielernauf und besonders beeindruckend ein Musicaldarsteller: Adrian Becker als Schutzgelderpresser.