Das tapfere Schneiderlein
Die „Moshammeroper“ in Berlin
Die Deutsche Bühne 10/2007
Wüsste man nicht, dass die „Moshammeroper“ auf dem Spielplan steht, würde man Hubert Wild kaum als den sagenhaften Münchner Modemacher erkennen, der hier den Namen „Ludwig“ trägt. Er hat weder den schwarz gefärbten Mosi-Schnäuzer noch die toupierte Mosi-Matte, sondern nur eine zerzauste Langhaarperücke, die er manchmal einfach absetzt. Statt des Yorkshire-Terriers Daisy gibt er sich mit einem haarigen Plastikknäuel namens Lazy zufrieden.
Der Librettist Ralph Hammerthaler nimmt Rudolph Moshammers Leben und Ermordung nämlich vor allem als Beispiel, um zu zeigen, wie sensationsgeil, scheinheilig und herzlos unsere Gesellschaft ist – und nicht wie extravagant oder peinlich das reale Vorbild vielleicht gewesen sein mag. Dieses Konzept mag banal klingen, ist es aber keineswegs, denkt man an die tatsächlichen Ereignisse, ihre Resonanz in den Medien wie der Bevölkerung zurück. Und es ist es erst recht nicht mit der unpathetisch klaren, mühelos kitsch-freien Musik des niederländischen Komponisten Bruno Nelissen. Er gewann damit im letzten Jahr den von den Berliner Gaswerken gestifteten Opernpreis. Fünf Instrumentalisten spielen sie, elektronisch angereichert und verfremdet, in der Saalmitten neben einem kurvigen Laufsteg, der die Bühne mit Mosis goldenem Himmelbett verbindet.
Robert Lehmeier inszeniert die Uraufführung in der Neuköllner Oper Berlin so exemplarisch, wie´s im Buche steht: Mit zwei überdrehten Schickimicki-Tussis (Friederike Harmsen und Leigh Adoff) als Zerrbilder repressiver Toleranz, der Mutter (Regine Gebhardt) als einzig wirklicher Vertrauten und einem Strichjungen (Markus Vollberg) als ewiger Verführung bis ins Grab. Kein gemütvolles Schenkelklopfen, kein anbiedernder Tuntenklamauk, und an Klatsch bloß, was unbedingt nötig ist: Die gelungene Aufführung sorgt mit kritischem Ernst und bösem Humor dafür, dass Moshammers Tragödie zur Aufsteiger-Farce wird, in der sich mehr Zuschauer wiederfinden können, als ihnen lieb ist.